Leonore Lerch

Psychotherapie Supervision Coaching

Pierre Janet

„Pierre Janet (1859-1947), ein Zeitgenosse von Sigmund Freud, war Inhaber des Lehrstuhls für experimentelle und vergleichende Psychologie am Collège de France und zwischen 1890 und ca. 1935 einer der führenden Psychologen Frankreichs. Aufgrund seiner philosophisch und methodologisch reflektierten Studien zur Psychopathologie der Neurosen ist seine Stellung in der französischen Psychiatrie mit der von Karl Jaspers in Deutschland verglichen worden. Seine Forschungen und Konzeptionen zur klinischen und Persönlichkeitspsychologie hatten einen wesentlichen Einfluss z.B. auf Carl Gustav Jung oder Jean Piaget. […] So sind in den letzten 15 Jahren Janetsche Konzepte bei der Diagnostik und Therapie von dissoziativen und posttraumatischen Störungen wie auch der Zwangskrankheit und Depressionen eingeführt worden. Die Einteilung der dissoziativen Störungen im DSM IV bzw, ICD -10 geht auch auf Janets Arbeiten zurück  (Pierre Janet Gesellschaft e.V, Berlin).

„Freud und Janet stießen mit ihren Forschungen insgesamt am weitesten in die unbekannte Wirklichkeit vor. Mit der Entdeckung, dass sexueller Missbrauch in der Kindheit eine Wurzel der Hysterie war, überschritt Freud allerdings zu seiner Zeit die äußersten Grenzen gesellschaftlicher Glaubwürdigkeit. In einem Vortrag über die Ätiologie der Hysterie gehalten 1896 und in seinen gesammelten Werken veröffentlicht, schreibt Freud „ich stelle also die Behauptung auf, zugrunde jedes Falles von Hysterie befinde sich – durch die analytische Arbeit reproduzierbar trotz des Dezennien umfassenden Zeitintervalls – eine oder mehrere Erlebnisse von vorzeitiger sexueller Erfahrung, die der frühesten Jugend angehören.“ Freud stellte also die Hysterie als Resultat von sexuellem Kindesmissbrauch dar. Dieser Vortrag gilt als Ursprung der Überlegungen, dass psychische Symptome das Resultat traumatischer Erfahrungen sein können. Freuds Entdeckung konnte keine Anerkennung finden, so lange ein politisches und gesellschaftliches Umfeld fehlte, das die Erforschung der Hysterie unterstützte, gleichgültig zu welchen Ergebnissen man dabei kam. Ein solches Umfeld hatte es in Wien nie gegeben und in Frankreich löste es sich rasch auf. Freuds Kollege Janet, der seine Traumatheorie der Hysterie nie aufgab und immer zu seinen hysterischen Patientinnen hielt, musste erleben wie seine Arbeiten vergessen und seine Ideen missachtet wurden“ (Volker Dittmar, 2009).