Leonore Lerch

Psychotherapie Supervision Coaching

Frauenspezifische Psychotherapie

„Frauenspezifische Psychotherapie“ ist keine  eigenständige Psychotherapiemethode, sondern bezeichnet einen Psychotherapieansatz, der eine ganzheitliche frauenspezifische Perspektive in die bestehenden Psychotherapierichtungen integriert. Ausgehend von den Ergebnissen der internationalen Frauen- und Genderforschung der letzten 40 Jahre entwickelte sich die „Frauenspezifische Psychotherapie“ in den 1970er Jahren in den USA in enger Verbindung mit den politischen Frauenbewegungen. Anfangs stand der Selbsthilfeaspekt und die Kritik an den herkömmlichen Psychotherapieformen sowie die Diskriminierung von Frauen im Rahmen von Psychotherapie, Psychologie und Psychiatrie im Vordergrund. Später entstanden eine Vielzahl von Ansätzen zu einer verbesserten Psychotherapiepraxis für Frauen. „Grundverständnis ist der therapeutische Umgang mit spezifisch weiblichen Problemstellungen wie verdrängte Aggressivität, Körperlichkeit und Sexualität, Ohnmachtsgefühle durch frauenspezifische Sozialisation und Rollenzuschreibungen, Gewalterfahrungen, Abhängigkeiten. Weiters geht sie von der Annahme aus, dass Machtverhältnisse, die sich in Sprache, Recht, medizinischen Begriffen, philosophischen Inhalten, Konventionen, Umgangsformen, kulturellen Normen manifestieren, tradiert und verinnerlicht werden (Univ. Prof. Dr.in Beate Wimmer-Puchinger, 2003).“
Häufig erleben Frauen ihre Probleme sowie ihr „vermeintliches Versagen“ als individuell und „privat“. Meist handelt es sich jedoch um kollektive Erfahrungen von Frauen, die Ausdruck von patriarchalen Macht- und Gesellschaftsstrukturen sind (wie der Abwertung von weiblichen Rollenmustern, Mehrfachbelastungen, physische, psychische und sexualisierte Gewalt, Machtungleichheiten im Zusammenhang mit sexueller Orientierung, nationaler, ethnischer, kultureller, religiöser Herkunft oder besonderen körperlichen bzw. geistigen Bedürfnissen etc. ). „Frauenspezifische Psychotherapie“ begreift das „Persönliche“ als politisch und betrachtet psychische Probleme, berufliche Schwierigkeiten, persönliche Lebenskrisen oder Krankheit bewusst vor dem Hintergrund weiblicher Lebensbedingungen. Der inhärent männlichen Parteilichkeit von Psychotherapie stellt sie die ausgesprochene Parteilichkeit für Frauen gegenüber. Frauenspezifische Psychotherapie orientiert sich, im Gegensatz zum psychiatrisch-medizinischen Denken, das meist von einem „defizitären Ansatz“ beherrscht wird, der Symptome und Diagnosen ins Zentrum der Betrachtung rückt, an den Fähigkeiten und positiven Erfahrungen der Klientinnen. Eine Grundhaltung der Akzeptanz und Wertschätzung umfasst auch die Offenheit für unterschiedliche Lebensmodelle von Frauen jenseits herkömmlicher Rollenvorstellungen sowie die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen. Die gemeinsame Betroffenheit von Klientin und Therapeutin durch die gesellschaftliche Situation mit ihren Rollenzuweisungen, die Frauen in spezieller Art benachteiligt, kann zur gemeinsamen Erfahrungs- und Vertrauensbasis werden. Die Erfahrung von Autonomie und Handlungskompetenz im eigenen Lebensumfeld stellt einen wesentlichen Faktor zur Veränderung und Verbesserung der Lebenssituation und Lebensqualität von Frauen dar (Self-Empowerment).